11. Dezember 2020

Baustelle des Monats Dezember

Hin und wieder kommt es vor, dass die jüngeren ihre älteren Geschwister überragen. Der Roche Bau 1 in Basel galt bislang als das höchste Bürogebäude der Schweiz. Nun wird er vom «jüngeren Bruder» überflügelt. Dieser überragt den Bau 1 nochmals um rund 30 Meter und ist mit einem Endmass von 205 Metern das höchste Gebäude der Schweiz.

Endspurt bei Roche Bau 2

Der Neubau weist mit 50 oberirdischen Stockwerken eine Höhe von rund 205 m auf. Ende November 2020 wurde der Rohbau planmässig abgeschlossen. Mit der Ausführung des Rohbaus war die Marti AG betraut.Sie hat bereits den Bau 1 gebaut und verfügt über die notwendigen Erfahrungen und Fachkompetenz, die einen reibungslosen Bau erwarten liessen. Bereits bei den Arbeiten am Bau 1 hatte Marti mit dem hydraulischen Kletterschalungssystem von MEVA gearbeitet. Für den Bau 2 konnte das System gemeinsam mit dem Hersteller nochmals spezifisch optimiert werden. Stefan Däppen, Polier erklärt: «Das Kletterschalungssystem kam in den beiden Kernzonen des Baus zum Einsatz. Daran wurden später die Decken festgemacht. Die Kernzonen umfassen Liftschächte mit Platz für 16 Lifte und zwei Treppenhäuser. Durch die Verwendung von einem Beton mitder Druckfestigkeitsklasse C50/60 und einer monolithischen Bauweise erreichten wir hiereine besonders hohe Festigkeit, was für die Statik grosse Vorteile hat.»

3-D-Modell schafft Übersicht

Wie aber beginnt man ein über 200 Meter grosses Hochhaus? Vorab entstanden in einer über 20 m tiefen Baugrube auf einer 2,5 Meter starken Bodenplatte drei Untergeschosse. Die zwei Gebäudekerne konnten über eine Höhe von 3,80 m zunächst konventionell geschalt werden. Dabei galt es, die verwinkelte Geometrie der zahlreichen Schächte zu beachten, denn neben Treppenhäusern und Liften befinden sich in den Gebäudekernen verschiedene Versorgungsschächte. Die Schalungsingenieure von MEVA zeichneten detaillierte dreidimensionale Schalungspläne, welche die komplexen Faktoren der Schalungsplanung plastisch darstellten. Der grosse Vorteil eines 3-D-Modells: Auf Knopfdruck lassen sich daraus zweidimensionale Pläne und Stücklisten erstellen. «Gerade bei den Kernen mit 2'200 m² Schalung bedeutete dies eine enorme Erleichterung für unsere Techniker», freut sich MEVA-Ingenieur Volker Götz, der das Projekt federführend betreut. Auch die Verantwortlichen der F. Hoffmann-La Roche AG konnten sich so ohne besondere schalungstechnische Vorkenntnisse ein genaues Bild von den Bauarbeiten an ihrem Gebäude machen. Damit half die umfassende Planungsarbeit nicht nur dabei, einen reibungslosen Baufortschritt sicherzustellen, sondern förderte auch die Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien.

Massgeschneidertes Klettersystem

Auf den konventionell geschalten Grundriss der Kerne wurde schliesslich das automatische Klettersystem MAC passgenau installiert. Rund 100 Plattformen wurden auf die Anforderungen des Roche Bau 2 im Werk speziell zugeschnitten. Dabei galt es unter anderem, die Träger, Balken und Zylinder auf das gewünschte Mass zu bringen, damit der Aufbau vor Ort reibungslos funktionieren konnte. Zur Anlieferung des automatischen Klettersystems starteten an der MEVA-Zentrale im deutschen Haiterbach beinahe täglich zwei Lkw Richtung Basel. Dank der passgenauen Vorbereitung konnten die fertigen Plattformen nach der Ankunft direkt vom Wagen gehoben werden. Nach nur vier Wochen war die Installation des Klettersystems auf der Baustelle abgeschlossen. Damit war der Weg frei für den Bau in die Höhe.

Die hydraulische Kletterschalung der MEVA im Einsatz: Rundherum wird die Decke geschalt.


Ohne Gerüst, dafür mit Windschild

Gebaut wurde mit zwei Gebäudekernen, welche mittels selbstkletternder (hydraulischer) Schalung in einem zeitlichen Versatz von jeweils 1–2 Tagen gewachsen sind. Gleichzeitig wurde rundherum die Decke geschalt, die dann am Kern angehängt wurde. In den ersten Wochen waren bis zu 45 Bauarbeiter täglich vor Ort. Im 14-Tages- Rhythmus konnte jeweils ein Stockwerk geschafft werden. Däppen war einer der drei Poliere auf dem Bau. Mit einem Team von rund 10 Leuten war er für die Decken und für den Windschild verantwortlich. Dieser diente den Bauarbeitern gleichzeitig als Absturzsicherung wie als Windschutz und sorgte für die nötige Arbeitssicherheit. «Das flexible System ist rund drei Stockwerke hoch», erklärt Däppen. Zusammen mit den Betonarbeiten an den Kernen und den Decken wurde das Schutzsystem, das ebenfalls aus massgeschneiderten Elementen besteht Stück für Stück auf Stahlschienen Stockwerk um Stockwerk nach oben gezogen und gewährleistete so stets die Sicherheit der Bauarbeiter. «War ein Stockwerk komplett abgeschlossen, befestigten wir rundherum straffe rote Sicherheitsnetze, bevor wir den Windschild nach und nach hochzogen», so Däppen.

Decken in vier Segmente unterteilt

«Sobald in den beiden Kernzonen wieder ein Stockwerk betoniert war, haben wir die Decken daran festgemacht. Die grosse Grundfläche haben wir jeweils in vier Teilflächen unterteilt. Während wir auf dem zweiten Viertel noch geschalt haben, waren beim vorher geschalten Viertel schon die Eisenleger im Einsatz. Ein weiteres Team von mir hat bereits am nächsten Viertel gearbeitet. So kamen wir sukzessive vorwärts mit Schalen, Betonieren und Ausschalen. Taktgeber dafür waren die Arbeiten am Kern und natürlich die nötigen Kranerhöhungen», erzählt Däppen weiter. Denn auch der Kran musste mit dem Turm mitwachsen und in festgelegten Arbeitsschritten erhöht werden.

Kräne und Fassadenaufzüge, die mitwachsen

Zwei WOLFF Turmdrehkräne und vier Bauaufzüge wurden beim Roche Bau 2 eingesetzt. Damit gelangten Material und Personal dahin, wo sie benötigt wurden. Kräne und Aufzüge wurden jeweils dem Bauablauf entsprechend erhöht, damit die Bauarbeiten weiter voranschreiten konnten. Die grosse geschlossene Kabine des Bau-Lifts legt pro Minute 54 Meter zurück. 20 Personen oder 3,2 Tonnen Material können damit befördert werden.

Kernverschiebung und Verjüngung der Fassade

Etwas spezielles seien die beiden Verschiebungen der Kerne und die Verjüngung der Fassaden gewesen, erzählt Däppen. Auf beides hatte sich Schalungshersteller MEVA sehr gut vorbereitet, erzählt er. So seien beide Systeme, das der hydraulischen Kernschalung und das vom Windschild bereits darauf ausgelegt gewesen. Zur Reduzierung der Fläche hätten lediglich einige der Einzel-Flächen entfernt werden müssen und man hatte bereits das neue Endmass erreicht. «Von den anfänglich 48 Leuten waren zum Schluss auf der stark verkleinerten Grundfläche noch 25 vor Ort», erklärt der Polier. Und während er und sein Team noch an der letzten Decke dran sind, wurde das selbstkletternde Kernschalungssystem von Marti im Beisein von einem Richtmeister von Meva bereits wieder abgebaut. So laufen oben noch die letzten Rohbauarbeiten, während weiter unten auf den ersten beiden Dritteln des Baus die Fassadenmontage bereits abgeschlossen und der Innenausbau im Endspurt ist.

Drittes Hochhaus bereits in Planung

Wie lange der Roche Bau 2 den Titel als höchstes Gebäude der Schweiz behalten kann, ist noch unklar. Konkurrenz könnte es schon bald aus den eigenen Reihen geben: Mitte Oktober präsentierte das Pharma- Unternehmen Roche Pläne für ein drittes Büro-Hochhaus in unmittelbarer Nähe. Der dritte Turm würde eine Maximalhöhe von 221 Metern aufweisen. Ob und wann er realisiert wird, ist aber noch unklar.

 

Text: Anita Bucher
Fotos: Beat Ernst: © Roche Ldt,
Armin Looser, Marti AG, Anita Bucher

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