19. März 2021

Baustelle des Monats März

Auf der Baustelle der Glasi Bülach laufen alle Fäden bei Chefpolier Silvio Schmid zusammen. Er versteht es die 170 Mann starke Truppe mit Witz und Verstand im Griff zu haben. Dafür hat er von seinem Anliker-Büro auch die beste Aussicht auf die vielleicht grösste Baustelle der Schweiz. 

Es ist eisig kalt an diesem Donnerstagnachmittag, 11. Februar 2021. Minus 5 Grad zeigt das Thermometer an, in der Nacht werden die Temperaturen sogar auf minus 10 Grad fallen. «Zu kalt zum Betonieren.» Chefpolier Silvio Schmid ist deshalb grad dran seine Leute zu informieren, dass ihnen ein verlängertes Wochenende bevorsteht. Erst am Dienstag wird es wärmer. Somit wird dergrösste Teil der 170-köpfigen Crew heim geschickt zum Überstunden abbauen. 

Immer wieder klingelt Silvios Handy, oder es klopft jemand gegen die Scheibe seines Büros im 2. Stock. Normaler Alltag für ihn. Das Koordinieren, Organisieren und Führen von Leuten macht ihm Spass. Am allerliebsten hat er Grossbaustellen, so wie diese. 18 Baukörper, rund 570 Wohnungen, diverse Gewerberäume, Restaurants und darunterliegend eine Tiefgarage mit zwei bis drei Untergeschossen und Platz für rund 700 Fahrzeuge. Das sind so in etwa die Eckdatendes Bauprojektes, das Silvio Schmid zu Füssen liegt, wenn er von seinem Polierbüro runter auf die Baustelle sieht. 

Eisenlegen bei Wind und Wetter 

Fünf Poliere mit ihren Teams sind ihm unterstellt. Ungefähr 100 eigene Leute hat die Anliker Bauunternehmung hier auf Platz. Dazu rund 30 bis 40 Schaler und nochmal 30 Eisenleger. Heute aber ist alles ein bisschen anders. Von zwölf Kränen drehen aktuell nur fünf. Viele Arbeiten sind aufgrund der Kälte eingestellt worden. Nur auf zwei der Häuser ist Bewegung zu sehen. Die Akkordanten legen auch bei minus 5 Grad ein. «Das ist ein bickelharter Job», anerkennt Silvio auf dem gemeinsamen Baustellenrundgang an. Denn im 11. OG, wo derzeit gearbeitet wird, pfeift zusätzlich noch die Bise über den Platz. 

Ordnung ist das A und O 

Einige Anliker-Bauarbeiter räumen zwischen den Gebäuden die verschiedenen Lagerplätze auf. Gute Organisation und Koordination ist das A und O, wenn so nahe beieinander so viele Gebäude entstehen. «Jeder Polier hat seine festen Lagerplätze für sein Material», erklärt Silvio. Die Zufahrt zur Baustelle wird permanent überwacht. Die Betonmischer und Lastwagen müssen sich am Empfang anmelden. «Die grosse Kunst ist, die Anlieferung so zu gestalten, dass die Dinge da sind, wenn Du sie brauchst und weg sind, wenn du sie nicht mehr brauchst. Im Kreisverkehr fahren die LKW um die Gebäude, um am nächstliegenden Punkt abzuladen. Bis die Tiefgarage fertiggestellt war, konnten wir auch noch zwischen die Bauten fahren.» Das geht jetzt nicht mehr. Dafür liegen dort die Lagerplätze. Und Material braucht es viel auf einer Grossbaustelle. 

BIM-Modell hilft bei der Detail-Ansicht 

«Wir haben keinen einzigen rechten Winkel betoniert», erklärt Silvo, während wir zwischen den Gebäuden hindurch laufen. So mussten die Schalungen laufend an die Form angepasst und neu zugeschnitten werden. Auch im Gebäudeinnern findet man Spezialitäten. Zum Beispiel im Treppenhaus. Die versetzten geschwungenen Treppen beginnen auf jedem Stockwerk an einem anderen Ort. Eine grosse Herausforderung bei der Deckenschalung, denn so ist jede Decke in der Form einzigartig, wie mir Silvio erklärt. 

Spezialitäten, wie diese schaut er in seinem Büro am Computer anhand eines BIM-Modells mit den zuständigen Polieren an. «Das ist sehr nützlich. Denn ich kann das Modell auf alle Seiten drehen und so Details mit schwierigen Unterzügen oder versteckten Absätzen mit meinen Leuten genau betrachten. Besonders wenn es aufwendige Ecken gibt, wie bei den Rampen der Tiefgarage, ist da sehr hilfreich.» 

Von Anfang an dabei 

Das erste Kranfundament hier in Bülach wurde im Dezember 2019 betoniert. Seit dem Januar 2020 laufen die Baumeister-Arbeiten so richtig. Chefpolier Silvio war von Anfang an dabei. Von den 18 Gebäuden wird eins ein Hochhaus, die anderen bekommen je acht Stockwerke. «Als Polier bin ich ein bisschen wie mein eigener Chef», erklärt Silvio. «Ich habe zwar ein vorgegebenes Ziel, aber wie und in welchen Etappen ich dahin komme, bestimme ich selbst, das gefällt mir an meinem Job». «Überhaupt sei Bauen ein bisschen wie Lego für Erwachsene», lacht er. «Du musst immer erfinderisch sein und kritisch prüfen, was Du noch optimieren kannst in Sachen Material und Personal.» 

Zusammen mit dem Bauführer ist er für die Einsatzplanung verantwortlich. Einmal wöchentlich wird diese kritisch hinterfragt und angepasst. Da muss vieles stimmen. Wenn man zu viele Leute vor Ort hat drückt das auf die Kosten. «Als Polier muss man gute Ideen haben wie man etwas schlauer oder schneller machen kann, als es jemand anders schon gemacht hat. Denn das einzig stetige auf der Baustelle ist die Veränderung.» Silvio weiss, wovon er spricht. Seit 20 Jahren ist er für Anliker tätig, hat sich auf dem klassischen Weg vom Maurerlehrling bis zum Bauführer HF weitergebildet, aber nie als Bauführer gearbeitet. Lieber ist er Polier in Grossprojekten, wie diesem. Auf dem Baustellenrundgang hat er für jeden ein paar nette Worte oder einen Witz parat. Das ist für die Arbeitsmoral und Motivation der Leute viel Wert. 

Morgendlicher Polier-Austausch 

Fünf Poliere sind ihm derzeit unterstellt. Jeder davon ist für zwei bis vier Häuser verantwortlich. Damit die Arbeiten optimal vorwärts gehen ist ein regelmässiger Austausch wichtig. Jeden Morgen um 6.45 Uhr treffen sich die Poliere und koordinieren, wer von wem noch zusätzliche Schalungselemente braucht, oder wer aushilfsweise noch Leute zum Betonieren benötigt. Um7.15 Uhr ist jeder zurück auf seiner aktuellen Baustelle. Die Zusammenarbeit unter den Polieren klappe super, erzählt Silvio. «Das ist auf Baustellen dieser Grösse nicht selbstverständlich.» 

«170'000 Stunden wurden bislang geleistet, hier auf der Baustelle», fasst Silvio den aktuellen Stand zusammen. 7'400 Tonnen Eisen sind bereits eingelegt worden, weitere 1'000 Tonnen werden bis im Sommer noch verbaut. 

Gesundheit und Sicherheit haben hohe Priorität 

Von COVID-19 sei seine Baustelle bislang verschont geblieben, erzählt Silvio. Aber natürlich gelte eine Maskenpflicht in allen Innenräumen und im Container-Dorf. Auch beim Betonieren, wenn der Abstand nicht eingehalten werden könne, würden Masken getragen. Die SUVA hätte er bisher einmal auf Platz gehabt für eine Kontrolle. Zu beanstanden gab es nichts. Auch bei den Unfällen gibt es auf Silvios Grossbaustelle nur Bagatellen (Verstauchte Daumen und so). Der Chefpolier führt das auch auf die konsequenten Schulungen zurück die Anliker seinen Polieren vorschreibt. «Wir machen jeden Monat 10-Minuten-Schulungen zu einem spezifischen Thema: Zum Beispiel Absturzsicherungen, Ordnung, Sauberkeit, Arbeiten mit der Tischkreissäge etc. Diese macht jeder Polier mit seiner Gruppe selbst.» 

Auch die Eisenleger und Schaler werden geschult. Dabei müsse man auch die Sprachbarrieren überwinden. Anschliessend muss jeder Teilnehmer unterschreiben, dass er an der Schulung gewesen sei und verstanden habe, worum es geht. Egal was ich frage, Silvio hat auf alles eine kompetente Antwort. In Rekordtempo legt er mir Listen vor, zieht Zahlen aus Statistiken oder beantwortet meine Fragen. Wer hat hier eigentlich den Überblick, wenn er mal ausfallen würde? «Das wäre auch kein Problem», erklärt Silvio unbekümmert und fährt in gewohnt raschem Tempo fort: «Als Poliere haben wir alle einen internen IT-Ordner bei Anliker, auf den alle anderen auch Zugriff haben. Das heisst: Theoretisch kann morgen ein neuer Polier kommen und meinen Job übernehmen. Du siehst, wir sind für alle Eventualitäten gewappnet», erklärt er mit einem Lächeln, bevor er sich wieder der Arbeit widmet, bei der ich ihn mit meinem Besuch unterbrochen hatte, nämlich dem Beton, den er noch abbestellen muss. 

 

Kennzahlen zum Projekt

Arealgrösse: 42'000 m² 
Bauten: 18 Gebäude + 
1 Holzschnitzelanlage 
Nutzung: 570 Wohnungen, 
div. Büros, Restaurants 
und Läden 
Benötigter Beton: 75'000 m³ 
Benötigter Stahl: Ca. 8'000 to 
Rohbauzeit: 16 Monate 
Kräne: 13 
Arbeiter: 170 Mann (Spitze) 
Beton pro Tag: 300 bis 700 m³ Ø 

Weitere Informationen

 

Text und Bilder: Anita Bucher

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