15. September 2021

Keller aus Holz? – Ja, das geht!

Ein Untergeschoss komplett aus Holz bauen? Timbatec-Gründer Stefan Zöllig ist überzeugt, dass das geht und macht es als privater Bauherr gleich selbst vor. Beim Neubau seines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohnungen in Thun hat er den Keller komplett im Holzbau erstellen lassen. Ein Experiment, wie er selbst sagt. Dennoch glaubt er fest an den Erfolg.

Von Anita Bucher

Das Haus liegt an Hanglage. Der Keller ist also „nur“ auf drei Seiten erdberührt, nicht auf allen vier. Dennoch: Bis jetzt galt auch unter Holzbauern die Devise: Erdberührende Bauteile sind aus Beton zu erstellen, der Holzbau beginnt erst ab der Bodenplatte. Timbatec-Ingenieur und Gründer, Stefan Zöllig, ist entschlossen, dies zu ändern. Auf Anfrage erklärt er: „Die Produktenwicklung gehört seit jeher zu der DNA von Timbatec. Mit neuen Produkten und Technologien gehören wir zu den Vorreitern im Holzbau. So sind wir Teil und Treiber der Erfolgsgeschichte Holzbau.“ Persönlich nimmt er sich auch immer mal Zeit, um die Erfolge von Timbatec zu reflektieren und sich zu überlegen, in welchen Geschäftsfeldern noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Der Keller ist eines davon. Der Grund dafür ist einfach: „Bis zur Hälfte des verbauten Materialvolumens von Gebäuden liegt im Untergeschoss. Beim vorliegenden Projekt sogar 60%. Holz speichert pro Kubikmeter eine Tonne CO2 und gilt damit unter den tragenden Baumaterialien als Best Practice“, erklärt Zöllig. „Jedes andere Baumaterial muss sich daran messen lassen“.

Nach deutschem Vorbild
Erste Erfahrungen dazu wurden in Deutschland bereits im Jahr 2016 gemacht. Die Firma Staudenschreiner hatte bis 2021 schon vier solche Holzkeller gebaut, allerdings ohne entsprechende Messdaten. In der Schweiz aber gab es noch entsprechendes Projekt. Und es schien auch
unmöglich, jemanden zu finden, der mutig genug war, den Keller aus Holz zu wagen. Also entschied sich Zöllig, dies als privater Bauherr selbst zu tun. „Ein logischer Schritt“, wie er sagt. Denn er kennt das Baumaterial Holz durch und durch und kann somit am besten abschätzen, wo die Risiken und Schwachstellen liegen.

Ein räumliches Monocoque aus Holz
Sein Mehrfamilienhaus in Thun ist somit das erste schweizweit mit einem Keller aus Holz. Auf einer 160 mm dicken Dämmplatte liegen Brettsperrholzplatten auf. Eine Schwarzdämmung ummantelt das Holz für den Feuchteschutz. TS3-Fugen verbinden die einzelnen CLT-Platten miteinander und bilden ein räumliches „Monocoque“ aus Holz. Möglich macht das die Timber Structures 3.0-Technologie, kurz TS3. Dies ist ein Verfahren aus dem Hause Timbatec, mit dem man aus Holz grosse Flächen generieren kann. Dazu behandeln Brettsperrholz-Hersteller die Stirnseiten der Platten im Herstellungswerk mit einem Primer und Dichtungsbändern vor. Auf der Baustelle werden die Platten dann mit einem Zweikomponenten-Polyurethan-Giessharz ohne Pressdruck vergossen. Diese Konstruktion wurde auch für den gesamten Keller in Thun gewählt.

Abdichtungen wie bei einem Flachdach
Timbatec hat also nicht nur den ersten Keller der Schweiz aus Holz erbaut, sondern zusammen mit der Berner Fachhochschule auch ein Forschungsprojekt dazu aufgegleist. Dabei stellte Zöllig als erstes fest: Der Keller ist finanziell absolut konkurrenzfähig und bei der Erstellung natürlich um ein Vielfaches schneller gebaut als ein betonierter Keller, denn die lange Aushärtungs- und Austrocknungszeit fällt gänzlich weg. In nur gerade fünf Tagen war der Keller in Thun gebaut. Abgedichtet wurde mit einer EPDM-Folie, wie sie üblicherweise für Flachdächer verwendet wird, ergänzt durch verschiedene Vlies-Schichten. Bei deren Einsatz im Boden sieht Zöllig viele Vorteile. „EPDM-Folie ist dicht und UV-beständig. Unter dem Boden habe ich viel weniger Einwirkungen als auf dem Flachdach, wo man immer aufpassen muss auf Pfahlwurzeln, Vögel und andere äussere Einwirkungen.“ Die Herausforderungen bei den Abdichtungen von Zuleitungen und Hausanschlüssen hätten mit Standardteilen aus dem Flachdachbau gelöst werden können, erzählt er weiter. 

Härtetest im Regensommer 2021
Der Regensommer 2021 bot zudem die Möglichkeit, den Holzkeller unter härtesten Bedingungen zu testen. So war zum Beispiel am neu erstellen Haus das Dachwasser noch nicht angeschlossen. Somit lief das Regenwasser neben der Fassade runter und versickerte direkt im Boden. Dennoch: Der Keller blieb trocken, das zeigten sowohl die vollflächig auf den erdberührten Holzbau-Teilen eingebaute Feuchtemonitoring-Schicht wie auch wiederholte visuelle Kontrollen vor Ort. – Ist das also die Revolution auf dem Baumarkt? Braucht es künftig wirklich keinen Beton mehr für das Untergeschoss? Zöllig glaubt ja, bleibt aber vorerst zurückhaltend.

Erfahrungen sammeln hat erste Priorität
Bei Timbatec hat man unterdessen noch zwei weitere Projekte mit Holzkellern in Angriff genommen. Vorerst will man sich dabei aber auf Gebäude an Hanglage beschränken, bevor man sich an ein Projekt heranwagt, das vierseitig im Boden liegt. Bei genügend positiven Erfahrungen schliesst man dies aber für die Zukunft nicht aus. „Wichtig ist in jedem Fall, dass man sich gut überlegt, wie das Wasser abgeführt werden kann“, fasst Zöllig zusammen. Das Forschungsprojekt läuft jetzt noch bis April 2023. Bis dahin werden fleissig Daten gesammelt und ausgewertet. Bei positivem Erfolg soll daraus ein Geschäftsmodell entstehen, das ist sicher. „Holz gibt es so viel auf der Welt, dieses Potential ist noch lange nicht ausgeschöpft“, weiss Zöllig.

 

Timbatec
Die Holzbauingenieure von Timbatec engagieren sich seit über 20 Jahren für den Holzbau mit der Vision, ganze Städte aus Holz zu bauen. Dafür arbeiten sie aktiv an der Entwicklung von neuen Produkten und Systemen. Mit ihrer Leidenschaft für Holz und einer engen Zusammenarbeit mit Forschungspartnern bringen sie laufend Innovationen auf den Markt.

TS3
Timber Structures 3.0 Technologie, kurz TS3 verbindet Holz stirnseitig und ermöglicht so punktgestützte Grossflächen aus Holz. Die Technologie ist das Resultat aus über 10 Jahren Forschung und Entwicklung von Timbatec zusammen mit der Berner Fachhochschule und der ETH Zürich. Heute ist TS3 mit 20 realisierten Projekten erfolgreich auf dem Markt.

Persönlich, rasch und direkt

Sie wollen wissen, wofür wir uns engagieren? Abonnieren Sie unseren Newsletter! Bei Fragen steht Ihnen die Geschäftsstelle von Baukader Schweiz zur Verfügung.

Baukader in Ihrer Nähe

Unsere Sektionen bilden das regionale Netzwerk, fördern die Geselligkeit und stehen für Fragen zur Verfügung.

Newsletter abonnieren