Im Zusammenhang mit der Erstellung einer grossen Wohnüberbauung gibt der Generalunternehmer BauTotal AG die Verlegung der Plattenbeläge sämtlicher Balkone und Terrassen der Firma Granit & Co. GmbH in Auftrag. Das hierfür zu verwendendem Material, und insbesondere die Belagplatten stellt BauTotal AG dabei selbst zur Verfügung.
Nach Vollendung der Arbeiten treten an den Terrassen- und Bodenbelägen schwerwiegende Mängel auf, die nur mit einer vollständigen Entfernung und Neuverlegung der Platten zu beheben sind. Das Generalunternehmen zeigt die Mängel unverzüglich der Firma Granit & Co GmbH an und zieht sie für den entstandenen Schaden zur Rechenschaft.
Es kommt zum unvermeidlichen Prozess.
In ihrer Klageantwort weist die Firma Granit & Co GmbH jegliche Verantwortung von sich. Die Ursache der Schäden liege beim vom Generalunternehmen gelieferten Material, welches offenbar nicht für die Konstruktionsweise des Rohbaus geeignet war; beides habe jedoch klar die Firma BauTotal AG zu verantworten, Granit & Co GmbH habe diesbezüglich weder konkret mitgewirkt, noch mitreden können. Zudem verfüge das Generalunternehmen über langjährige Erfahrung im Baugewerbe, weshalb der BauTotal AG die zur korrekten Wahl des Materials der Bodenbeläge notwendige Kompetenz selbstredend zugesprochen werden müsse.
Das vom Gericht angeordnete Gutachten ergibt, dass die für die Beläge verwendeten Platten tatsächlich für die Konstruktionsweise der fraglichen Balkone und Terrassen völlig ungeeignet waren und dass darin klar die ausschliessliche Ursache für die aufgetretenen Mängel und den sich daraus ergebenden, erheblichen Schaden liegt.
Als der Geschäftsführer der Granit & Co GmbH jedoch das Urteil des Gerichts liest, erlebt er eine böse Überraschung: die Klage ist vollumfänglich gutgeheissen und die Granit & Co. GmbH zu vollem Ersatz der Schadenbehebungskosten verurteilt worden. Das Gericht begründete den Entscheid damit, dass die Granit & Co. GmbH dem Generalunternehmen die mangelnde Eignung des zur Verfügung gestellten Materials hätte rechtzeitig, d.h. unverzüglich anzeigen müssen. Dass eine solche Abmahnung erfolgt sei ergebe sich nicht aus den Akten und sei im Übrigen von der Beklagten Granit & Co auch nie behauptet worden. An den Folgen der verletzten Anzeigepflicht ändere auch die angebliche technische Erfahrenheit der BauTotal AG im Baugeschäft nichts.
Die Verantwortung des Unternehmers entspricht derjenigen des Arbeitnehmers (OR 364 Abs. 1). In Ermangelung anderweitiger Verabredung hat er die zur Werkausführung benötigten Materialien und Werkzeuge auf eigene Kosten zu besorgen. Wird hingegen der Baustoff vom Besteller geliefert und zeigen sich daran bei der Werkausführung Mängel, die eine gehörige oder rechtzeitige Fertigstellung des Werkes beeinträchtigen könnten, ist der Unternehmer zur unverzüglichen Anzeige verpflichtet, widrigenfalls er für dadurch entstandene Schäden und Folgemängel einzustehen hat (OR 365 Ans. 3). Im vorliegenden Fall trifft die Subunternehmerin Granit & Co. GmbH gegenüber der Generalunternehmerin BauTotal AG dieselbe Anzeige- bzw. Abmahnungspflicht, die einem jeden Unternehmer gegenüber seinem Besteller obliegt. Die Tatsache, dass ein Generalunternehmer naturgemäss über eine generelle Erfahrung in Bausachen verfügt vermag die Subunternehmerin Granit & Co GmbH nicht von dieser Pflicht zu entbinden, da sie aufgrund ihrer weit mehr werkbezogenen technischen Kenntnisse und dem sich daraus ergebenden Kompetenzgefälle nicht gutgläubig davon ausgehen konnte, dass BauTotal AG sich der Mangelhaftigkeit der Belagplatten bewusst war oder sein musste.
Fazit: die allfällige Bauerfahrung des Bestellers darf vom Unternehmer nicht leichthin zum Anlass genommen werden, bei Mängeln des gelieferten Stoffes oder falschen Anweisungen des Bestellers auf eine sofortige Abmahnung bzw. Anzeige zu verzichten. Die Erfüllung dieser gesetzlichen Pflicht hat der Unternehmer vorsichtshalber ausnahmslos, unverzüglich und womöglich schriftlich wahrzunehmen.
Text: Andrea Lenzin